Pop-up-Stores sind mittlerweile bekannt, aber kennt Ihr auch Pop-up-Restaurants wie „Hybrid Taste“? Diese neue Form der Gastronomie hat mittlerweile auch Kiel erreicht und am 08. Oktober 2016 durfte ich die Veranstaltung „Hybrid Taste“ live miterleben. Und ich kann Euch schon jetzt sagen: Es war ein Genuss.
Das Ereignis fand Freitag und Samstag in der VILLA Kiel statt und Gastgeber von „Hybrid Taste“ waren Christoph Bickel und Marrius Thiependa Sievers. Christoph werden viele Kieler vom „Eis-Paradies“ kennen. Die langen Schlangen im Sommer vor seiner Eisdiele sind schon legendär. Marrius verwöhnt dagegen als Chef de Partie die Gäste des „Hotel Birke“ – ein renommiertes Hotel in Kiel.
Wir waren um 19 Uhr da und haben in einer gemütlichen Ecke der VILLA Platz genommen. Wer mochte, konnte zum anstehenden 6-Gänge-Menü eine Weinbegleitung dazu nehmen. Als Nicht-Wein-Trinkerin habe ich darauf verzichtet und nur das schmackhafte Wasser von Viva con Agua zum Essen genossen. Das Menü wurde im Vorfelde als „radikal regionale Küche“ angeteasert und es ist wirklich erstaunlich, was man alles essen kann, wenn es nur richtig zubereitet ist.
Wer beim „Hybrid Taste“ Standard-Beilagen wie Rucola oder Minzblätter erwartet hat, wurde überrascht: Hier wurden Löwenzahnköpfe, Kresse-Samen und vieles mehr gekonnt zubereitet und als Hauptgericht oder Beilage zelebriert. Für jeden Gang galt, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Überquellende Teller suchte man vergebens, vielmehr lag die Stärke der präsentierten Gerichte darin, dass man sich zwangsläufig jedes Detail (auch einzeln) auf der Zunge zergehen lassen musste. Selbst die – meist nur als Pflichtprogramm lieblos beigefügten – Soßen waren an diesem Abend ein Genuss und manchmal fast besser als das eigentliche Gericht.
Ich habe mich bemüht so viele Details wie möglich zu notieren, denn jeder Gang wurde von einem der Köche oder dem aufmerksamen Servicepersonal wunderbar erklärt. Bereits mit dem Servieren des ersten Appetit-Happens konnte man die Liebe zum experimentellen Kochen und das Interesse, neues in der Küche zu entwickeln, spüren.
Hybrid Taste: Amuse Gueule
Das Menü begann mit einem Amuse Gueule bestehend aus einem Zwiebel-Eistee (links oben), Kürbis mit Zwetschge (rechts oben) und einem Schmandkeks. Es wurde empfohlen den Zwiebeleistee mit Beifußessig zu exen. Sorry, ich habe es nicht hinbekommen, sondern brauchte drei oder vier Schlucke zum Leeren. Für Menschen, die es am Abend zuvor an gleicher Stelle, VILLA Klub, mit dem Alkohol übertrieben hatten, ist der Zwiebel-Eistee nicht zu empfehlen. Insofern blieb mir noch das zweite Exemplar meiner Begleitung zur Verköstigung. Es war eine sehr interessante Mischung und ein Hinweis auf einen vielversprechenden Abend. Kürbis liebe ich und in Kombination mit der Zwetschge und dem Salz war das Ganze wirklich sehr lecker. Beim Schmandkeks gab es noch getrocknete Holunderblüten dazu, die – wenn ich mich recht erinnere – wie Kapern behandelt wurden. Auch dieser Happen war sehr lecker und der cremige Schmand sehr intensiv.
Danach folgte etwas, was die Jungs gern scherzhaft als „Samenerguss“ angepriesen haben.
Ziegenfrischkäse mit selbst gepflückten Löwenzahnknospen und Kresse-Samen, die zuvor in Wasser eingelegt wurden. Ich esse normalerweise keinen Ziegenkäse und auch Löwenzahn habe ich zuvor noch nicht probiert, aber auch diese Kombination hat mich überrascht und hat toll geschmeckt. Hier waren auch die Holunderblüten wieder mit dabei. Die letzte Zutat habe ich leider nicht mitbekommen.
Hybrid Taste: 1. Gang
Wir kommen nun zum ersten offiziellen Gang und der sah nicht nur wie ein Kunstwerk aus, sondern war auch geschmacklich ein Gedicht. Saibling mit Kohlrabi und einer giftgrünen Petersilie-Soße. Dazu gab es auch Kaviar vom Saibling, allerdings ist die salzige Note von Kaviar im Allgemeinen nicht so meins. Ich habe aber mit bekommen, dass die anderen Gäste den Kaviar ebenso toll fanden wie die anderen Zutaten auf dem Teller. Und da kann ich nur zustimmen.
Der Fisch. Himmlisch. Die Soße. Wunderbar kräftig und natürlich im Aroma. Und Kohlrabi schmeckt mir auch immer. Dazu die Haut des Saiblings, die zwar auch salzig war, mir aber trotzdem besser geschmeckt hat als der Kaviar. Dieses Gericht machte Appetit auf mehr.
Hybrid Taste: 2. Gang
Der 2. Gang bestand aus kleinen Kartoffeln mit rohen und geschmorten Champignons in einer Butter-Mayonnaise mit Schnittlauch. Wenn ich sage, den Teller hätte ich am liebsten abgeleckt, sagt das wohl alles. Vor allem die Soße war zum Niederknien. Aber ich habe mich zusammengerissen, den Teller nur mit dem Brot ausgewischt und einfach still genossen.
Hybrid Taste: 3. Gang
Lasst Euch nicht beirren. Dieser Gang war rein vegetarisch. Das, was hier wie Fleisch aussieht, waren in Wirklichkeit köstliche Selleriesteine. In brauner Butter gebraten und anschließend im Backofen geschmort, bekommt dieser Sellerie eine unglaublich weiche Konsistenz. Dazu wurden Gurkenstücke und Brombeeren serviert. Darunter befand sich eine feine Gurken-Dill-Mayonnaise, die ebenfalls zum Dahinschmelzen war. Davon hätte ich gern noch mehr gehabt, und ich hoffe wirklich, dass ich noch einmal eine Gelegenheit bekomme, Sellerie in dieser Form zu genießen.
Hybrid Taste: 4. Gang
Ein weiterer Höhepunkt: das Stück vom Schwarzfederhuhn. Butterzart. Dazu knusprige Haut, die fein geraspelt wurde, sowie knuspriger Mais mit einem rohen Eigelb. Die Bestandteile der Soße habe ich leider nicht notiert, aber ich glaube, dieser Gang kam bei allen Gästen am besten an. Das rohe Eigelb zusammen mit den knusprigen Zutaten war der Hammer. Das Stück Fleisch war genau richtig zubereitet und die Soßen waren auch wieder ein Gedicht.
Hybrid Taste: 5. Gang
Der vorletzte Zwischengang bestand aus Deichkäse mit Stücken der gelben Beete und einer Holunderblüten-Essig-Kapsel, wenn ich das richtig verstanden habe. Der Clou der Kapsel: anstechen und die Flüssigkeit mit den anderen Zutaten genießen.
Hybrid Taste: 6. Gang
Wie heißt es so schön: Das Beste kommt zum Schluss. Das Dessert war ein mehr als ein gelungener Abschluss eines fantastischen 6-Gänge-Menüs. Buttermilch-Mousse mit Stachelbeeren, Stücken aus Rosen-Baiser und die absolute Geheimzutat: Gin-Gelee. Das perfekte Dessert für laue Sommerabende oder eben so einen hervorragenden Abend.
Kurzum: Ich habe an diesem Abend viel Neues dazugelernt. Es ist erstaunlich, was „Hybrid Taste“ aus Zutaten gekocht hat, die nur selten einen Weg auf den Esstisch finden. Der Slogan „Halb Mensch, halb Natur“ trifft eindeutig auf dieses Koch-Duo zu und ich hoffe, dass die beiden das Projekt „Hybrid Taste“ mit weiteren Pop-up-Restaurants in Kiel noch einmal wiederholen.
Hybrid Taste: In Action
Fotos: Daniela Hinz